VIER PFOTEN: Das Schweigen der australischen Lämmer


VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz

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06.03.2024, Zürich/Sydney – Es ist eine weitgehend unbekannte und schockierende Realität: Millionen von Lämmern sterben qualvoll, weil sie für die weltweite Wollproduktion eingesetzt werden. In Australien , dem führenden Wollproduzenten, übersteigt die Sterblichkeitsrate von Lämmern den weltweiten Durchschnitt (9-20 %) um bis zu zehn Prozent und erreicht in einigen Fällen sogar 70 Prozent. Das führt dazu, dass jedes Jahr schätzungsweise zehn Millionen Lämmer verenden. Zu den grössten Risiken für neugeborene Lämmer gehören Geburtskomplikationen, schlechte Haltungsbedingungen oder fehlender Witterungsschutz sowie quälerische Züchtungen. In einem aktuellen Briefing-Papier fordert die globale Tierschutzorganisation VIER PFOTEN dringende Massnahmen zum Schutz dieser Tiere. Vor allem die Zucht von Schafen mit weniger Hautfalten hat das Potenzial, zahlreiche Tierschutzprobleme zu bekämpfen.

Die Schilderungen von Julia Fischer gehen unter die Haut. «Jedes Jahr verhungern und erfrieren Millionen von Lämmern, meistens in absoluter Einsamkeit. Ist das Muttertier in der Nähe, bekommt es den Todeskampf der Nachkommen hilflos mit», sagt die Kampagnenverantwortliche für Nutztiere und Ernährung bei VIER PFOTEN Schweiz.

Für ein australisches Schaf besteht die grösste Herausforderung darin, nicht innerhalb der ersten drei Tage nach seiner Geburt zu sterben. Zu diesem Zeitpunkt werden über 80 Prozent der Todesfälle bei Lämmern gemeldet. Doch damit ist der Überlebenskampf noch nicht gewonnen: Wenn sie überleben, werden die meisten Lämmer im Alter von zwei bis zwölf Wochen bei lebendigem Leib verstümmelt. Bei der Mulesing genannten Praxis werden den Jungtieren meist ohne Betäubung grosse Hautlappen am Gesäss mit einer scharfen Schere abgeschnitten. Durch die entstandenen Wunden leiden die Tiere tagelang unerträgliche Schmerzen. Mehr als zehn Millionen Tiere werden jährlich dieser archaischen Methode unterzogen. Studien zeigen ausserdem, dass auch die Mütter von Lämmern einem hohen Risiko ausgesetzt sind. Allein aufgrund von Geburtskomplikationen (Dystokie) sterben in Australien schätzungsweise fast 300‘000 Mutterschafe pro Jahr.

Erschreckende Filmaufnahmen

Wie schockierend das Schicksal von Millionen von Lämmern in Australien ist, zeigen aktuelle Filmaufnahmen, die vom Collective Fashion Justice auf der Plattform «Farm Transparency Project» hochgeladen wurden. «Die Bilder von toten und verstümmelten Lämmern sind kaum zu ertragen, aber bittere Realität», bedauert Julia Fischer. «Nachdem die Tiere die Tortur der ersten Lebenstage überlebt haben, werden sie dieser grausamen Verstümmelung völlig wehrlos ausgesetzt. Die Verstümmelungspraxis ohne jegliche Form von Betäubung steht an der Spitze der invasiven Routineeingriffen, die an sogenannten Nutztieren vorgenommen werden.»

Doch es gibt Hoffnung für die australischen Lämmer: Die Lösung beginnt, bevor die Tiere überhaupt geboren sind, nämlich mit der richtigen Zuchtauswahl und einem durchdachten Herdenmanagement. Wollproduzentinnen und -produzenten wie Don Mudford, ein australischer Züchter aus New South Wales, gehen mit gutem Beispiel voran. Er stellte Mulesing ein und erzielte durch die Umstellung auf Schafe ohne übermässige Hautfalten eine höhere Überlebensrate der Lämmer, wie eine Fallstudie von ihm belegt.

Je weniger Falten, desto höher die Überlebensrate

«Seit der Umstellung auf Schafstypen mit glattem Körperbau habe ich festgestellt, dass unsere Mutterschafe erfolgreicher gebären und besser mit den körperlichen Anforderungen der Mutterschaft zurechtkommen», erzählt Don Mudford. Berichte vieler weiterer Züchterinnen und Züchter belegen den Zusammenhang zwischen Schafen mit glattem Körperbau, die gegen Fliegenmadenbefall resistent sind, und einer höheren Überlebensrate der Lämmer. Dies ergab auch eine 2020 durchgeführte Umfrage von BG Economics unter fast 100 australischen Wollproduzierenden.

VIER PFOTEN fordert deshalb die dringende Einführung von Zucht- und Haltungspraktiken, die dem Überleben von Lämmern und Mutterschafen Priorität einräumen. Dazu gehört die Zucht von Schafen, die gegen Fliegenmadenbefall resistent sind und einen glatten Körper haben, zusätzlich zu anderen Techniken, die in dem neuen Briefing-Papier «Lämmersterblichkeit im Fokus» beschrieben werden. Entscheidend ist auch, dass die Industrie in mehr Forschung sowie Trainings investiert, um Produzierende zu unterstützen. Textilunternehmen, Detailhändler sowie Zertifizierer, die vom Verkauf australischer Merino-Wolle profitieren, stehen dabei genauso in der Verantwortung.

Marken gegen Mulesing

VIER PFOTEN hat 2020 damit begonnen, internationale Modeunternehmen zu erfassen, die mulesing-freie Wolle fordern. Was mit 100 Marken begann, ist in den letzten drei Jahren auf eine bemerkenswerte Zahl von über 400 Marken angewachsen. Eine weitere Gruppe von 80 internationalen Modeunternehmen hat einen offenen Brief unterzeichnet, der die australische Wollindustrie auffordert, Mulesing bis 2030 zu beenden.

Hintergrund

80 Prozent der feinen Merinowolle für den globalen Modemarkt stammen aus Australien - dem einzigen Land der Welt, in dem Mulesing legal und regelmässig praktiziert wird. Beim Mulesing werden Lämmern im Alter von wenigen Wochen grosse Hautstreifen vom Hinterteil abgeschnitten, in der Regel ohne angemessene Schmerzlinderung. Dies verursacht bei den Tieren starke Schmerzen, Angst und Stress. Dieses Verstümmeln von Lämmern wird als schnelle und günstige Methode zur Verhinderung von Fliegenmadenbefall eingesetzt. Es gibt allerdings alternative Methoden. Zu diesen gehört die Zucht von Schafen mit glattem Körper, die gegen Fliegenmadenbefall resistent sind, in Kombination mit einem angemessenen Herdenmanagement. Darüber hinaus zeigen sowohl die Forschung als auch Erfahrungsberichte von Schafhalterinnen und –haltern, dass Schafe mit glattem Körperbau eine höhere Überlebensrate bei Lämmern aufweisen.

Medienkontakt:
Chantal Häberling, Kommunikation Schweiz
VIER PFOTEN Schweiz
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Über VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz:
VIER PFOTEN ist die globale Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Missstände erkennt, Tiere in Not rettet und sie beschützt. Die 1988 von Heli Dungler und Freunden in Wien gegründete Organisation tritt für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen. Im Fokus ihrer nachhaltigen Kampagnen und Projekte stehen Streunerhunde und -katzen sowie Heim-, Nutz- und Wildtiere – wie Bären, Grosskatzen und Orang-Utans – aus nicht artgemässer Haltung sowie aus Katastrophen- und Konfliktzonen.

Mit Büros in Australien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Grossbritannien, Kosovo, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, den USA und Vietnam sowie Schutzzentren für notleidende Tiere in elf Ländern sorgt VIER PFOTEN für rasche Hilfe und langfristige Lösungen. In der Schweiz ist die Tierschutzstiftung ein Kooperationspartner vom Arosa Bärenland, dem ersten Bärenschutzzentrum, welches geretteten Bären aus schlechten Haltungsbedingungen ein artgemässes Zuhause gibt.
Quellen:
News aktuell   HELP.ch


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