Damit mehr Elektroautos gekauft werden, braucht es andere Anreize
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News von Schweizerischer Nationalfonds SNF
25.02.2025, Bern (ots) - Der Staat möchte mehr Leute motivieren, auf Elektrofahrzeuge umzusteigen. Doch die
bisherigen Fördermassnahmen greifen zu wenig. Vom SNF unterstützte Ökonominnen und Ökonomen
haben existierende Ansätze und neue Ideen geprüft.
Elektromobilität trägt dazu bei, den Ausstoss von CO2 zu senken. Deswegen wird der Kauf von E-Autos mit unterschiedlichen Anreizen gefördert. Ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstütztes Forschungsteam hat die Effizienz dieser Anreize untersucht. "Das bestehende System ist nicht effizient. Unsere Berechnungen anhand des Systems im Kanton Bern zeigen, dass man mit gleich vielen Mitteln mehr oder mit weniger Mitteln gleich viel erreichen könnte", erklärt Patrick Bigler, der im Rahmen seines Doktorats an der Universität Bern an der Studie beteiligt war. Seine Arbeit, die im Journal of the Association of Environmental and Resource Economists (*) veröffentlicht wird, berücksichtigt vier Faktoren: staatliche Ausgaben, Anteil von E-Autos bei Neuwagen, Kosten für die Haushalte sowie soziale Gerechtigkeit.
Direkte Kaufprämien statt Steuervergünstigungen
Der Forscher betont, dass es nicht Ziel der Studie ist, zu bestimmen, welches die beste Mobilität für die Zukunft ist: "Vielmehr wollen wir verstehen, wie man pro staatlich finanziertem Franken bei Autokäufen am meisten Wirkung erzielt."
Bisher wird im Kanton Bern die jährlich zu entrichtende Motorfahrzeugsteuer aufgrund des Fahrzeuggewichts berechnet, wobei der Steuersatz für Elektroautos nur die Hälfte beträgt. In den ersten vier Jahren nach dem Kauf von umweltschonenden Neufahrzeugen werden zusätzliche Vergünstigungen auf die Motorfahrzeugsteuer gewährt, die für Elektroautos 60 Prozent betragen. Nach den Berechnungen der Forschenden würden mehr Elektroautos gekauft, wenn diese Vergünstigungen durch direkte Kaufprämien ersetzt würden. Diese Neugestaltung könnte die jährlichen CO2-Emissionen im Kanton Bern um 70 Tonnen senken.
Hauptzweck der jährlichen Fahrzeugsteuer ist allerdings die Finanzierung der Strasseninfrastruktur, was bei der Umstellung auf direkte Kaufprämien vernachlässigt würde. Daher untersucht die Studie alternative Finanzierungsmodelle, bei denen die Kaufprämien mit einem Bonus oder Malus auf die Motorfahrzeugsteuer kombiniert werden, je nach Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs. So sollen zum Beispiel Personen, die sich für ein Elektroauto entscheiden, nicht nur eine Kaufprämie erhalten, sondern auch vier Jahre lang von einer niedrigeren Motorfahrzeugsteuer profitieren. Anders ist das bei Fahrzeugen, die fossile Brennstoffe benötigen: Die Käuferinnen und Käufer profitieren von Steuerreduktionen, wenn diese relativ effizient sind, bezahlen aber höhere Steuern für solche mit hohem Treibstoffverbrauch. Für die unterschiedlichen Szenarien resultieren im Kanton Bern jährliche Einsparungen an Kohlendioxid zwischen 110 bis 517 Tonnen. Der Effekt auf die öffentlichen Finanzen liegt je nach Modellierung zwischen Einbussen von 1,5 Millionen Franken und Mehreinnahmen von 60'000 Franken über 15 Jahre.
Wohlhabendere kaufen besonders gerne Elektroautos
Für die Studie hatte das Team der Universität Bern Zugang zu den Haushaltseinkommen der Personen, die ein neues Fahrzeug kauften. "Mit diesen Daten konnte die Forschungsgruppe die soziale Gerechtigkeit der simulierten Massnahmen bewerten, was für diese Art von Modell ein Novum war", erklärt Wirtschaftsprofessorin Doina Radulescu, die das Projekt leitete. So konnte sie mit ihrem Team analysieren, wie sich die Kombination verschiedener politischer Instrumente wie Kaufprämien und Motorfahrzeugsteuern auf Haushalte unterschiedlicher Einkommensgruppen auswirkt. Selbst bei Szenarien, die den Nutzen für Haushalte mit tieferen Einkommen stärker gewichten, geht ein Grossteil der Subventionen an die wohlhabendsten Haushalte.
Dies geschieht, weil einkommensstärkere Haushalte eher Elektroautos kaufen. Einkommensschwächere Haushalte haben nebst den finanziellen Möglichkeiten noch andere Beweggründe gegen den Kauf von E-Autos: "Selbst, wenn Faktoren wie die Eigenschaften der Fahrzeuge, das Wohneigentum und die Verfügbarkeit von öffentlichen Ladestationen berücksichtigt werden, bleibt die Akzeptanz von Elektroautos bei den einkommensschwächeren Haushalten deutlich geringer", erklärt die Ökonomin. "Unsere Daten können diese relative Skepsis gegenüber Elektroautos bei den Haushalten mit tieferen Einkommen nicht erklären. Wahrscheinlich gibt es psychologische oder soziologische Hindernisse", vermutet Patrick Bigler. Doch auch wenn die genauen Gründe für die Präferenzen der weniger Privilegierten nicht bekannt sind: Das Modell liefert Prognosen zum Einfluss spezifischer finanzieller Anreize auf die öffentlichen Finanzen, das Portemonnaie der Konsumentinnen und Konsumenten und die CO2- Emissionen. "Die Analyse unserer Szenarien liefert wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlagen für die Politik", schliesst Doina Radulescu. Und unabhängig von den bevorzugten Subventionskriterien: Der Anteil der E-Autos kann mit verschiedenen Ansätzen erhöht werden.
Grenzen der Studie
Die Forschungsarbeit konzentrierte sich auf das Jahr 2019 und ausschliesslich auf den Kanton Bern, da nur für diese Region die erforderlichen Daten zur Verfügung standen. Die Ökonominnen und Ökonomen hatten über Firmen im Bereich der Energieversorgung sowie über das Steuer- und das Strassenverkehrsamt des Kantons Bern Zugang zu den Daten. Doina Radulescu weist auf weitere Grenzen der Studie hin. Die Daten würden ausschliesslich Neuwagenkäufe beinhalten und der Einfluss von Investitionen in die private Ladeinfrastruktur, welche erwiesenermassen eine wichtige Rolle beim Kauf von E-Autos spielten, sei nicht berücksichtigt. "Der Markt für Neufahrzeuge ist aber durchaus relevant und darauf haben wir uns konzentriert", sagt Patrick Bigler.
Forschungsförderung in allen Disziplinen
Diese Forschungsarbeit wurde vom SNF mit dem Instrument Projektförderung unterstützt. Nach einem Auswahlverfahren können Forschende mit diesen Beiträgen Vorhaben zu selbst gewählten Themen und Forschungszielen eigenverantwortlich durchführen.
Pressekontakt:
Doina
Radulescu
Universität Bern
Kompetenzzentrum für Public Management
Tel.: +41 31 684
40 07
E-Mail:
Patrick Bigler
Universität Lausanne
HEC - Abteilung
für Wirtschaftswissenschaften
E-Mail:
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Über Schweizerischer Nationalfonds SNF:
Um die nötige Unabhängigkeit sicherzustellen, wurde der SNF 1952 als privatrechtliche Stiftung gegründet. Im Zentrum seiner Tätigkeit steht die Evaluation von Forschungsgesuchen. Mit der kompetitiven Vergabe öffentlicher Gelder trägt der SNF zur hohen Qualität der Schweizer Forschung bei.
In enger Zusammenarbeit mit Hochschulen und weiteren Partnern setzt sich der SNF dafür ein, dass sich die Forschung unter besten Bedingungen entwickeln und international vernetzen kann. Besondere Aufmerksamkeit schenkt der SNF dabei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Zudem übernimmt er im Rahmen von Evaluationsmandaten die wissenschaftliche Qualitätskontrolle von grossen Schweizer Forschungsinitiativen, die er nicht selbst finanziert.
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